Rosenmontagszug mit Verspätung

Duisburg Helau! Der Rosenmontagszug 2025 ist durch die Stadt gerollt.
Bericht: FunkeMEDIEN 03.03.2025: Jonas Schlömer      Foto: FUNKE Foto Services | Rainer Hoheisel


Duisburg.
Die Sause ließ auf sich warten. Sperren vom Viertelzug waren noch nicht vor Ort. Der Stimmung tat es keinen Abbruch.

Der Duisburger Straßenkarneval hat erstmal eine Fehlzündung. Der Leithund des Rosenmontagszugs, der große Traktor des THW, rollt pünktlich um 13.11 Uhr im Innenhafen an – und bleibt gleich wieder stehen. Die alten Damen, die in ihren Rollstühlen und mit lustigen Hütchen vor dem Seniorenzentrum am Innenhafen wie die Hühner auf der Stange warten, gucken etwas verdutzt.

Es stellt sich schnell heraus, warum die Jeckenparade nicht in die Pötte kommt: Terrorsperren, die am Morgen noch beim Viertelzug in Neumühl im Einsatz waren, sind noch unterwegs an ihren Einsatzort. Warten also, da müssen die Karnevalisten am Straßenrand kreativ werden. Der ein oder andere schaut betrübt in Bierflasche, die schon leer ist. Der Hobby-DJ klickt sich hektisch durch die Playlist und findet endlich die MSV-Hymne, in der Hoffnung, dass ein wenig blau-weißer Lokalpatriotismus die Stimmung kittet. Aber seien wir mal ehrlich: Wäre es wirklich ein Rosenmontagszug, wenn er pünktlich starten würde?

Eine Stunde „Nachsitzen“

Um karnevalistische und sechzig Minuten zu späte 14.11 Uhr geht es dann aber doch los, und wie. Die Polizeibeamtin im Eisbrecher-Einsatzfahrzeug vor dem Zug brüllt unermüdlich „Helau“ in ihr Mikrofon, fast den ganzen Zug lang, die Narren am Straßenrand antworten ihr, bevor ihnen die Kamellen um die Ohren gefeuert werden.

Die Bauarbeiter am beinahe fertigen „Premier Inn“-Hotel am Rathaus legen kurz ihre Maurerkellen nieder und schauen sich das Schauspiel auf der Straße an. Dort scharren schon die Pfandsammler mit Hufen und Plastiktüten, Duisburg hat Durst und der Zug eine Stunde Verspätung: perfekte Voraussetzungen.

Weniger gut ist das für die, die den Alkohol nicht so gut wegstecken können, ein Schneemann mit ordentlich Schlagseite wird zwar nur noch vom Bauzaun hinter sich gehalten, das „Helau“ geht aber trotzdem noch erstaunlich sauber über die Lippen. Da haben die Bewohner entlang der Zugstrecke es gemütlicher, so mit eigener Toilette und eigenem Bett, wenn sich die Welt doch mal zu doll drehen sollte. Das ist auch schön für den neutralen Beobachter, denn die Menschen auf den Balkonen haben sich ordentlich in Schale geschmissen, in Kostüme, die für den Straßenkarneval viel zu unpraktisch wären.

Am Opernplatz angekommen, amüsiert man sich erst über die Soundanlage, die nur noch krächzt und knarzt. Andererseits, mit genug Alkohol in der Rübe, fällt das den meisten ohnehin nicht mehr auf. Dann freut man sich auch noch über das Publikum entlang des Platzes und kann sich ganz vortrefflich selbst mit einem kleinen Ratespiel unterhalten: Verkleidet oder bloß modischer Draufgänger?

Entlang der Landfermannstraße tummelt sich vor allem das jugendliche Publikum, das findet, dass eine Warnweste ja wohl Verkleidung genug und der aufgeklappte Reisekoffer auf dem Boden für die leeren Likörfläschchen eine gute Idee ist. Mit einem von beidem haben sie recht. Weiter Richtung Neudorf, leere Klopfer pflastern den Weg.

Besser als jede Kamelle

Im Tunnel der Mülheimer Straße entwickelt der Karneval eine gar gespenstische Qualität, die Helau-Rufe hallen im betonierten Schlauch, oben grummelt der Güterzug, doch dann: Licht am Ende der Röhre, der schönste, der kiezigste Teil des Rosenmontagszuges beginnt. Auf der Ludgeristraße brechen die Kinder in Jubel aus, als der Zug um die Ecke biegt, die Motorradpolizisten bahnen den Wagen den Weg. Und machen sich dabei viele Freunde bei den jungen Jecken, die ehrfürchtig vor dem uniformierten Mann auf der dicken Maschine stehen – und dann winkt der sogar! Besser als jede Kamelle. Wahrscheinlich auch für die erwachsenen Zugbesucher, die deutlich spürbare Polizeipräsenz hilft dem Sicherheitsgefühl.

An der Blumenstraße macht die Trinkhalle mutmaßlich die Hälfte ihres Jahresumsatzes und profitiert wie die Pfandsammler davon, dass der Zug eine Stunde Verspätung hat. Ebenfalls äußerst geschäftstüchtig ist die Gaststätte „Zum Bierkönig“, die zwei Euro für einen Toilettenbesuch nimmt. Dem strammen Gang und verzerrten Gesicht vieler Kostümierter zufolge sind einige Karnevalisten auf das Angebot angewiesen.

Aus dem Neudorfer Gassenwirrwarr entkommen, rollt der Rosenmontagszug auf der Koloniestraße durch den Tunnel und biegt Richtung Festzelt auf dem alten Güterbahnhof ab. Zugleiter Jürgen Köster zieht eine erste Bilanz: „Positiv“. Für mehr Worte hat er gerade keine Zeit, er muss den Zug auflösen, die Polizei verrät etwas mehr. Nämlich, dass 38.000 Menschen den Weg des Zuges säumten, und dass der Tag „überwiegend störungsfrei“ über die Bühne gegangen ist. Der Rosenmontagszug 2026 kann also kommen. Dann aber ganz sicher pünktlich. Kleiner Spaß.

Fotos der Veranstaltung: Michael Söhring / HDK