Ein schwieriges Puzzle:
Der Duisburger Rosenmontagszug

Bericht der Funke Medien NRW / Annika Fischer 20.02.2017

Foto: Ralf Rottmann
Am kommenden Montag marschiert er vorweg: Duisburgs Zugleiter Thomas Erlacher (48, hier in der Wagenhalle).Foto: Ralf Rottmann

Duisburg. Thomas Erlacher plant seit 2004 den Duisburger Rosenmontagszug.Der Karneval in diesem Jahr stellt ihn vor eine besondere Herausforderung.

Das Puzzle von Thomas Erlacher hat 132 Teile. Aber nur drei Farben: Weiß die Fußgänger, gelb spielt die Musik, rot rollen die Wagen, denn „Autos sind für mich immer Gefahr“. Stunden, Tage hat der 48-Jährige getüftelt an seinem persönlichen „Tetris“. Römergarde hinter Schwarzen Schafen, Konfettis nach Kappes, Verrückte Hühner vor Paradiesvögeln und vor allem: Grün-Rot hinter Rot-Weiß, aber vor Schwarz-Rot. „Sie denken, Sie haben alles, und dann sind doch wieder drei Rote hintereinander.“

132 Teile, 132 Wünsche, null Widerspruch: Thomas Erlacher hat es wieder geschafft. Dies wird Duisburgs Rosenmontagszug 2017.

Drei Tonnen „Wurfmaterial“ liegen bereit

Mittwoch meldet der Zugleiter beim Straßenverkehrsamt 22 Wagen an. Er hat schon den TÜV vorausgeschickt, Beleuchtung prüfen, Einstieg, Absturzsicherung. Er wird die Kurzzeit-Kennzeichen verteilen, und er hat drei Tonnen „Wurfmaterial“ abgeholt, Müsliriegel und Nappos, die er „lecker“ findet. Zwischendurch fällt ihm ein: „Das ist alles gar nicht meine Aufgabe.“ Aber was dann? „Das ahnt kein Mensch.“

Es ist nämlich so im Karneval, dass der Zugleiter das ganze Jahr Karneval hat. Der Zug steht noch nicht still am Rosenmontag, da lädt Erlacher die ersten Musikkapellen ein fürs nächste Jahr. Im April muss er damit fertig sein, „sonst keine Chance“.

„Transformer“ machen Spaß

Aus den Niederlanden kommen sie, aus Frankreich, „die sind bunt und ausgefallen“, und für den Kinderprinzen sucht der Chef „was Besonderes“ aus. Betten kriegen sie alle, Betreuung und Gage. In diesem Jahr kommen holländische Musikanten auf dem Fahrrad und drei „Transformer“, die sich wirklich verwandeln können, Thomas Erlacher hat daran bis jetzt den meisten Spaß.

35 Großwagen, 26 Musikkapellen, 71 Fußgruppen, 1,5 Kilometer Lindwurm schickt er am Montag, Punkt 13.11 Uhr, in Neudorf an den Start, und die Ehrengarde der Stadt Duisburg marschiert diesmal voran: „Die haben Jubiläum.“ Wer was zu feiern hat, geht vor. Aber nach Thomas Erlacher – der läuft als Zugchef an der Spitze, gute vier Kilometer weit, bis zum Innenhafen.

Und ist ein wenig nervös. „Im Hinterkopf ist immer, dass nichts passiert. Hoffentlich kommt niemand untern Wagen!“ Seit 2004 ist diesem Zugleiter noch nichts widerfahren, nur ist 2017 nicht sein 13. Mal? Der Feuerwehrmann schaut erschreckt. Ach nein, 2015 war er ja selbst Karnevalsprinz! Und 2016 war Sturm, der Zug fiel aus, „das war das Schlimmste“.

Sicherheitslage hat sich durch den Terror verändert

Aber nun ist ein neues Jahr, „und wir sind noch etwas feinfühliger“. Die Sicherheitslage, „man meint immer, man hätte alles bedacht“, aber dann kam der Terror nach Deutschland und mit ihm die Frage: Wird Duisburg überhaupt noch einen Rosenmontagszug erleben? Ein paar Tage war das strittig, dann entschieden Stadt und Polizei: Es geht hier um Terrorabwehr, die kann man nicht Privatleuten überlassen, also, den Jecken.

De’ Zoch kütt, aber in der Einladung zur Abschlussbesprechung bat Erlacher „wegen der Sicherheitslage um zahlreiches Erscheinen“.

Karnevalisten lauschen schweigend

So kam es vergangene Woche zu einem seltenen Moment: Da sitzt ein ganzer Saal voller Karnevalisten – in bangem Schweigen. Von dem „einen oder anderen Polizisten mehr am Straßenrand“ spricht Erlacher. Von einem Warnpiepser, den jeder Wagen bekommt, „alle Nachrichten sofort befolgen“!

Wie immer gehört an jedes Rad ein Ordner, neu aber ist: auch auf jeden Bock ein zweiter Mann. Der Prunkwagen ist immer auch – ein Lastwagen. „Der Fahrer in Berlin war ja leider allein.“

Nun sind die Zeiten, da ein Zwei-Zeiler ans Amt ausreichte, schon seit der Loveparade vorbei. Danach haben sie mit dem Maßband Nebenstraßen vermessen und Fluchtwege ausgerechnet. Und heute – hatten sie drei Besprechungen statt einer, ließen den Ehemann einer Prinzenpagin, der bei der Bundeswehr arbeitet, Bedrohungszenarien analysieren und ein Sicherheitskonzept erstellen.

Klare Regeln: Kein Popcorn, keine Musik vom Band

„Jeder muss erreichbar sein“, mahnt der Zugleiter, jeder muss aber auch das Publikum erreichen. Per Lautsprecher oder Megafon in sieben vorgeschrieben Texten. Für die Situationen „Zuschauer prügeln“, „Zuschauer klettern“, „Zuschauer werfen Gegenstände“, aber auch für einen möglichen Abbruch. Und eine Wetterwarnung. Die wäre nicht das Schlimmste, findet Erlacher: „Dafür kann uns keiner verantwortlich machen.“

Es gibt aber auch Regeln, die mit Terror oder schlechtem Benehmen gar nichts zu tun haben. „Kein Popcorn werfen!“ Und, in aller Strenge: „Keine Musik vom Band!“ Was hat Thomas Erlacher gepuzzelt, dass jeder Wagen seine Musik entweder von vorn oder hinten bekommt. Selbst singen ist noch erlaubt, Umtata aus der Konserve nicht. „Wir sind kein Ballermann-Zug. So lange ich Zugleiter bin...“ Es ist eine Drohung: „Sonst geht der Wagen bei nächster Gelegenheit raus.“